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Topic: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG (Read 638 times) previous topic - next topic

Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Die Koalition hat sich wohl auf die Nachfolge des Transsexuellengesetzes (mit Arbeitstitel "Selbstbestimmungsgesetz") geeinigt. Es soll noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden. Kernpunkte:
- Erwachsene sollen maximal einmal jährlich Vornamen und Geschlechtseintrag ändern lassen dürfen. Zwischen Antrag und Wirksamkeit sollen drei Monate liegen, in denen die Antragstellenden noch zurücktreten können.
- Verfahren per Selbstauskunft beim Standesamt, also ohne teure Gutachten.
- Transidentität soll nicht mehr als psychische Krankheit gelten.
- Bei Minderjährigen sollen unter 14 Jahren die Eltern entscheiden. Ab 14 Jahren soll bei Uneinigkeit ein Gericht entscheiden.
- In Sauna, Schwimmbad, Umkleiden usw. soll das Hausrecht gelten, Betreiber oder Bademeisterinnen dürfen demnach an das äußere Erscheinungsbild anknüpfen.

Der letzte Punkt wurde wohl heiß diskutiert, da bei sehr enger Auslegung, etwa "kantiges Kinn",  zusätzliche Diskriminierungen gegenüber dem Status Quo entstehen könnten. Es wurde auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verwiesen, das unterschiedliche Behandlungen wegen des Geschlechts oder der sexuellen Identität erlaubt, wenn dies "dem Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt". Gemäß den Grünen um Familienministerin Lisa Paus sollen aber rein äußerliche Kriterien dafür nicht reichen.

>>> Quelle (hinter Paywall) oder Sekundärquelle

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #1
Danke, liebe Michi. In der Zeit stehts auch schon; ebenfalls mit Referenz auf die SZ.

Eigentlich sollten wir jetzt von den beiden Ministerien zeitnah  eigene Stellungsnahmen erwarten.


Das mit der vierteljährlichen Wartefrist empfinde ich als unnötige Schikane. Das erspart uns eigentlich nur die Zeit, die die Begutachtung umfasst - das Vierteljar entspricht ja grob der Zeit zwischen Verhandlung beim Gericht und Zustellung der Urkunde. Und es zeigt, dass man uns nicht zutraut, die Entscheidung ernsthaft zu treffen.

Und weil das Gesetz ja vermutlich im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, kann da noch einiges zu unserem Nachteil passieren.

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #2
Was mir auch nicht gefällt: Daß der Bademeister bestimmt, ob ich zum Frauenschwimmtag darf. Da ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #3

- Erwachsene sollen maximal einmal jährlich Vornamen und Geschlechtseintrag ändern lassen dürfen. Zwischen Antrag und Wirksamkeit sollen drei Monate liegen, in denen die Antragstellenden noch zurücktreten können.
- Verfahren per Selbstauskunft beim Standesamt, also ohne teure Gutachten.

- In Sauna, Schwimmbad, Umkleiden usw. soll das Hausrecht gelten, Betreiber oder Bademeisterinnen dürfen demnach an das äußere Erscheinungsbild anknüpfen.
Das ist ja ähnlich wie bei uns Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (Intersex).  Allerdings tritt bei uns die Änderung sofort in Kraft, aber wir müssen eine ärztliche Bescheinigung vorlegen dass wir eine solche Variante haben.  Im Schwimmbad, etc. kann man uns nicht wegen unseres Aussehens beurteilen, da bei uns auch die Geburtsurkunde gändert, bzw. berichtigt wird, und uns unser Geschlecht von Geburt an zugestanden wird.


Linde

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #4
Die Geburtsurkunde wird bei uns auch geändert, also bisher. Wie das zukünftig geregelt wird ist noch unklar. Auch müßte ich bei jedem Schwimmbad-/Saunabesuch meine Geburtsurkunde mitnehmen, weil auf dem Ausweis steht kein Geschlechtseintrag (nur im Pass).

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #5
In den meisten Fällen wird sich für halbwegs plausibel aussehende Trans* in Schwimmbädern, Saunen usw. wenig ändern. Auch bisher galt das Hausrecht, mit einem Ausweis zu winken hätte auch bisher im Zweifel nichts geholfen. Ich denke, die Diskussion kam auf, weil manche Außenstehende jetzt Kopfkino haben: Frauen mit Vollbart und Penis in der Damensauna, die Macho-Sprüche abgeben oder sowas. Gerade TERFS können da in öffentlichen Debatten ziemlich schrille Bilder zeichnen. Immerhin gibt es auch Cis-Frauen, die sehr maskulin aussehen, gar zu explizites "Zeichenlesen" könnte da schon mal ziemlich peinlich für den Bademeister werden.

Und das Gleichstellungsgesetz verbietet pauschale Diskriminierung etwa der Art "Trans muss draußen bleiben". Es muss sich schon konkret jemand belästigt fühlen.

EDIT: Was ich wohl sehe ist die Möglichkeit, dass es zukünftig schwieriger sein könnte einfach "unter dem Radar mitzuschwimmen", wenn (unerwarteter Weise) zukünftig öfter diverse Personen im Stadtbild zu sehen sein sollten. Momentan ist Geschlechterraten in der Allgemeinbevölkerung nicht verbreitet, einmal unbewusst auf den ersten Blick im Geschlecht X oder Y einsortiert wird man in der Regel nicht mehr weiter hinterfragt. Persönlich glaube ich aber, dass Diverse dafür viel zu selten sind. Ich jedenfalls habe abseits der medienbekannten Personen (die dann auch irgendwas mit Mode oder Medien machen) noch keine Diversen im Alltag gesehen oder gesprochen.

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #6
Wobei "divers" zu leben ja nicht zwingend mit dem entsprechenden Personenstand verknüpft sein muss.

Und dann: erinnere Dich doch bitte anz.B. (und damals wohl vor allem) die durchaus zahlreichen lesbischen (?) Frauen, die auch zur Zeit unserer Transition wirkten wie irgendwo dazwischen stehend.

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #7
Hallo Beate, vielleicht hatte ich mich da etwas missverständlich ausgedrückt. Ich meinte nicht den Personenstand, sondern wenn zukünftig deutlich mehr Personen außerhalb Berlins und außerhalb von Instagram mit bewusst uneindeutigem Outfit unterwegs sein sollten, so dass Normalfrau und Normalmann öfters mal hin- und herüberlegen, wie sie die Person denn nun anreden sollen. Sozusagen ein Training im Zeichenlesen. Aber wie du schon schreibt, muss man bei vielen Lesben oder maskulinen Frauen auch zweimal hinschauen. Das bestätigt meine Vermutung, dass der Effekt vernachlässigbar ist, weil es so viele Non-Binäre gar nicht gibt.

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #8
Hallo Michi, das hatte ich schon so verstanden. Momentan habe ich aber das Gefühl, dass es einerseits viel (zur Zeit eher junge) Leute gibt, die sich uneindeutig geben, aber eben Namen und Personenstand belassen, andererseits aber viele Transmenschen eher besseres Passing haben und weniger auffällig sind, weil sie bei der Transition jünger waren. Und Transssexualität ja immer noch bedeutet, dass man möglichst unauffällig im empfundenen Geschlecht leben will und eben gerade nicht "irgendwie queer".

Vielleicht helfen die offen und betont Uneindeutigen ja sogar den anderen, indem sie Zeichen setzen, die von den anderen ablenken? Das schreibe ich in dem Wissen, dass es immer Leute gibt, die uns trotz wirklich guten Passings sofort identifizieren.

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #9
muss man bei vielen Lesben
Da haben wir es in den USA eventuell einfacher.  Das Erkennungszeichen der Lesben hier ist mindestens ein Ring an einem Daumen, oder besser noch, ein Ring an jedem der beiden Daumen.

Linde

 

Re: Bundesregierung einigt sich auf Selbstbestimmungsgesetz als Nachfolger des TSG

Reply #10
Das wissen aber die Wenigsten hier, Linde. Ich hab sogar einen Regenbogenanhänger an meiner Halskette, trotzdem muß ich das den Leuten immer wieder erklären.